Meme-Aktien: Sollen wir ihnen hinterherlaufen?

„Langsam Geld zu verdienen ist viel besser, als es schnell zu verlieren.“
—David Booth

Während der Pandemie haben sich viele Menschen neue Hobbies zugelegt, zu den beliebtesten gehörten Brot backen, Marathonfernsehen – und der Handel mit Meme-Aktien.
In den USA halfen dabei neben sehr viel freier Zeit auch die umgangssprachlichen Stimmies (Stimulus Checks) und diverse kommissionsfreie Handelsplattformen, und so öffneten
zahlreiche Anleger Depots und luden sich Trading Apps herunter. Der Anbieter Robinhood beispielsweise konnte seine Kundenbasis seit Beginn der Pandemie mehr als verdreifachen
(bis März 2022, Abbildung 1).

KAUFRAUSCH Zahl aktiver Robinhood-Depots, 1. Quartal 2020 bis 1. Quartal 2022

Einige dieser neuen Anleger suchten einfach nur Unterhaltung oder hofften auf schnellen Reichtum; von der Achterbahnfahrt, die das Daytrading in der Realität mit sich bringt, waren jedoch viele schnell enttäuscht. Die Aussicht auf schnelles Geld ist zwar verlockend, doch wer sich von der Hysterie anstecken lässt, setzt nicht nur seine innere Ruhe aufs Spiel, sondern auch seine Finanzziele. Diversifizierung dagegen ist weniger unterhaltsam, vor allem wenn die Kurse gerade steigen, zur Umsetzung der eigenen Ziele jedoch eher geeignet als zufällige Entscheidungen – und zudem in den meisten Fällen weniger nervenaufreibend.

Fallstudie:

Die amerikanische Meme-Stock-Community hatte sich zum Ziel gesetzt, die Kurse bestimmter Aktien in astronomische Höhen zu treiben („to the moon! “), und hat dazu unter anderem die Begriffe Diamond Hands (Diamantenhände) und Paper Hands (Papierhände) geprägt. Diamantenhände halten selbst bei dramatischen Verlusten an einer Aktie fest, Papierhände steigen hingegen früh aus und gelten daher als schwach.

Die berühmt-berüchtigte Meme-Aktie AMC Entertainment Holdings Inc. (Abbildung 2) verdeutlicht beispielhaft, dass zwei Anleger mit derselben Aktie sehr unterschiedliche Ergebnisse erzielen können. Die Zahl möglicher Varianten ist groß, doch wenn wir annehmen, dass sich Anleger bei ihren Entscheidungen an dem Handelsvolumen und der Volatilität einer Aktie
orientieren, können wir das Profil zweier hypothetischer Anleger mit Paper Hands und Diamond Hands miteinander vergleichen. Beide Anleger haben AMC am 27. Januar 2021 gekauft; an diesem Tag lag das Handelsvolumen auf einem Rekordniveau von 1,2 Millionen Aktien, und AMC schloss mit einem Kurs von 19,90 USD den Handel. Paper Hands verkaufte seine Position einige Monate später, nachdem das Handelsvolumen seinen zweithöchsten Stand erreicht hatte und die Aktie bei 62,55 USD schloss. Damit gehörte Paper Hands zu denjenigen, für die der Traum vom schnellen Geld war wurde, schließlich hat sich der Wert seiner Position innerhalb weniger Monate im Wert verdreifacht. Diamond Hands dagegen war überzeugt, AMC sei immer noch auf dem Weg zum Mond! , hielt trotz wilder Kursschwankungen an der Aktie fest und verkaufte nach einem turbulenten Jahr schließlich doch—mit einem Verlust von 19%. Der Russell 3000 Index legte im gleichen Zeitraum um 18% zu, und dies bei deutlich geringerer Volatilität.

ABSCHRECKENDES BEISPIEL Aufstieg und Fall von AMC Entertainment Holdings

Unsere AMC-Fallstudie beruht auf einer nachträglichen Simulation, macht jedoch deutlich, dass Gewinne auch dann nicht garantiert sind, wenn man relativ früh auf den Meme-Zug (oder die Meme-Rakete) aufspringt. Unser hypothetischer Anleger muss nicht nur entscheiden, wann er kauft, sondern auch, wann er wieder verkauft – und das ist leichter gesagt als getan.


1. Im Internet-Slang steht „Stonks“ für das englische „Stocks“, also Aktien, und ist absichtlich falsch geschrieben. Der Begriff wird häufig humorvoll oder ironisch für Aktien und die Finanzmärkte im Allgemeinen verwendet, insbesondere um extreme Ergebnisse zu kommentieren.

„Nur rund ein Viertel der Aktien, die um 200% oder mehr im Wert gestiegen sind, konnten den Markt auch bis Mai 2022 schlagen.“

Wer mit nur einer einzige Aktie reich werden will, muss genau zum richtigen Zeitpunkt genau die richtige Aktie kaufen. Im Russell 3000 Index sind rund 3.000 Aktien enthalten, und weniger als 2% (46) dieser Aktien sind innerhalb eines beliebigen 14-Tage-Zeitraums zwischen März 2020 und Mai 2022 um 200% oder mehr im Wert gestiegen, darunter einige bekannte Meme-Aktien wie AMC, Eastman Kodak Company, GameStop und Workhorse Group Inc., die inzwischen alle deutlich unter ihrem Höchststand liegen.

JE HÖHER SIE STEIGEN... Kursverluste von Meme-Aktien

Nehmen wir an, ein Anleger mit besonderem Weitblick (oder besonders großem Glück) hat eine dieser 46 Aktien genau zwei Wochen vor ihrem 200%-Anstieg gekauft. Selbst wenn man einen solchen unrealistischen Wissensvorsprung unterstellt, bleibt die Aktienauswahl riskant: Etwa 30% dieser Turbo-Aktien liefen dem Markt (dargestellt durch den Russell 3000 Index) per Mai 2022 trotzdem hinterher; wer den ersten Anstieg verpasst und erst später eingestiegen ist, stand wahrscheinlich noch schlechter da. Nur etwa ein Viertel der Aktien, die in den vorangegangenen zwei Jahren um 200% oder mehr im Wert gestiegen sind, lagen auch im Mai 2022 noch über der Marktrendite.2 Dieses asymmetrische Ergebnis überrascht nicht, schließlich zeigen Analysen (auf Englisch), dass relativ wenige Einzeltitel den Markt tatsächlich abhängen können. Mit einem diversifizierten Portfolio aus zahlreichen Aktien sinkt das Risiko irreversibler Verluste; dafür steigt die Wahrscheinlichkeit, dass man auch an den großen Gewinnern beteiligt ist, die für die Marktentwicklung maßgeblich sind.Selbst innerhalb unserer nachträglich analysierten Stichprobe aus Aktien, die kurzfristig erheblich im Wert gestiegen sind, sind Mehrrenditen gegenüber dem Markt nicht garantiert.
Und da die Käufer von Meme-Aktien ihre Anlageentscheidungen nicht nachträglich treffen können, stehen ihre Chancen schlecht. Die Jagd auf Meme-Aktien in der Hoffnung auf hohe
Gewinne mag verlockend sein, Daten machen jedoch deutlich, dass sie vor allem äußerst riskant ist. Anleger sollten eher auf langfristige und diversifizierte Portfolios setzen und ihre
Zeit für andere Hobbys nutzen, die sie sich während der Pandemie zugelegt haben.

Wer richtig investieren will, sollte sich an drei einfache Prinzipien halten:

1. Diversifizierung ist das Einzige, was Anleger wirklich „geschenkt“ bekommen
2. Ungewissheit gehört zur Geldanlage dazu
3. Ein Portfolio sollte auf die Ziele des Anleger abgestimmt sein

Haftungsbegrenzung: Sämtliche Zahlen, Aussagen und Informationen in diesem Artikel dienen lediglich didaktischen und illustrativen Zwecken. Der Artikel ist an die allgemeine Öffentlichkeit gerichtet, jedoch nicht an einzelne Personen oder Anleger oder speziell an existierende oder zukünftige Kunden der Finanzring Gesellschaft für Vermögensberatung mbH & Co. KG. Auf keinen Fall sollte der Artikel oder die darin aufgeführten Informationen als Finanzberatung, Investitionsempfehlung oder als Angebot gemäß des deutschen Wertpapierhandelsgesetzes verstanden werden. Wir sind stets bemüht, Fehler zu vermeiden, und grundlegend bestrebt, korrekte Informationen im Artikel darzustellen. Historische Renditen und Wertsteigerungen sind keine Verbindlichkeit für ähnliche Werte in der Zukunft. In die gezeigten Wertpapierindizes ist kein direktes Investment möglich und sie enthalten keine Kosten und Steuern. Investitionen in Wertpapiere, Bankguthaben, Investmentfonds, Immobilien und Rohstoffe bringen hohe Verlustrisiken hervor, bis hin zur Gefahr des Totalverlusts. Auch können genannte Investmenttechniken zu enormen Verlusten führen. Wir übernehmen keine Haftung für etwaige Schäden, die durch den Gebrauch der in diesem Artikel enthaltenen Informationen hervorgehen.

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