Konjunktur, Inflation und Leitzinsen
Die nach den Zinserhöhungen aus dem Jahr 2022 für 2023 erwartete Rezession in den USA lässt weiter auf sich warten. Vielmehr wächst die US-Wirtschaft, wenn auch nicht stark. Die Inflationsraten sanken in den meisten Volkswirtschaften weiter, blieben aber über den erklärten Zielgrößen der Notenbanken. So lag die Jahresrate des Preisanstiegs in den USA im ersten Quartal knapp über drei Prozent, das Ziel jedoch bei einem Durchschnitt von nur zwei Prozent.
Angesichts guter Konjunktur- und Arbeitsmarktdaten dürfte die US-Notenbank ihren Kampf gegen die Inflation noch nicht beenden. So dämpfte US-Notenbankpräsident Powell die Erwartungen einer Lockerung der Geldpolitik mehrfach. In Jahren, in denen in den USA Präsidentschaftswahlen stattfinden, vermeidet die US-Notenbank tendenziell starke Veränderungen ihrer Leitzinsen. Zinssenkungen könnten von Kritikern als Unterstützung des amtierenden Präsidenten ausgelegt werden. Dem Vorwurf einer Einmischung in die Politik will sich die Federal Reserve nicht aussetzen. Auch das spricht, neben der robusten Konjunkturentwicklung, gegen rasche und weitreichende Senkungen der Fed Funds Rate, die schon seit Juli 2023 unverändert bei 5,25 bis 5,5 Prozent liegt.
Auch die Bank of England beließ ihren Leitzins unverändert bei 5,25 Prozent. Die Europäische Zentralbank (EZB) sah den Zeitpunkt für eine Einleitung des Zinssenkungszyklus ebenfalls noch nicht gekommen. Eher überraschend senkte die Schweizerische Nationalbank (SNB) ihren Leitzins um 0,25 Prozentpunkte auf 1,5 Prozent.
Als historisch wurde vor allem die Zinsentscheidung in Japan bezeichnet. Die Bank of Japan (BoJ) entschied, die Spanne für die kurzfristigen Zinssätze geringfügig anzuheben. Sie legte den Tagesgeldsatz als neuen Leitzins fest und beschloss, ihn in einer Spanne von Null bis 0,1 Prozent zu halten, indem sie unter anderem 0,1 Prozent Zinsen auf Einlagen bei der Zentralbank zahlt. Mit dieser Zinsanhebung ist die Bank von Japan die letzte der großen Zentralbanken der Welt, die sich von der Politik der Null- und Negativzinsen verabschiedet. Diese hatte sie 2016 im Kampf gegen die Deflation eingeführt.
Renten, Währungen und Rohstoffe
An den Anleihemärkten erwies sich der Optimismus aus den beiden letzten Monaten des Vorjahres als etwas zu groß. Die Kurse von festverzinslichen Wertpapieren sanken, ihre Renditen stiegen dadurch. Für US-Staatsanleihen mit zehn Jahren Laufzeit stieg die Rendite im Laufe des Berichtszeitraumes zeitweilig auf 4,35 Prozent, im Kalenderquartal schließlich um 33 Basispunkte auf 4,2 Prozent. Die entsprechende Rendite deutscher Bundesanleihen kletterte ähnlich, nämlich um 27 Basispunkte – allerdings auf niedrigerem Niveau. Sie lag Ende März bei 2,3 Prozent. Der Bund-Future, der die Kursentwicklung deutscher Bundesanleihen an der Terminbörse angibt, verzeichnete im ersten Quartal einen Verlust von 2,8 Prozent auf 133,3 Punkte.
An den Devisenmärkten zeigte sich das wichtige Euro/US-Dollar-Verhältnis vergleichsweise stabil. Der Wechselkurs pendelte zwischen 1,07 und 1,10 US-Dollar pro Euro. Letztendlich profitierte die US-Währung von den reduzierten Zinssenkungserwartungen, denn damit bleibt der Zinsvorteil des US-Dollars gegenüber dem Euro erhalten. Ein Wechselkurs von 1,079 US-Dollar pro Euro per Ende März bedeutet für das erste Quartal einen Anstieg des US-Dollars gegen Euro um 2,2 Prozent.
Entgegen den vorherrschenden Markterwartungen konnte das Ende der Negativzinsen in Japan den Abwärtstrend des japanischen Yen nicht sofort umkehren. Gegen Euro fiel die japanische Währung mit 165 Yen/Euro auf den tiefsten Stand seit 2008. Und der US-Dollar notierte bei ungefähr 152 Yen, dem niedrigsten Niveau der japanischen Währung seit 1990. Damit verlor der Yen gegenüber dem US-Dollar im ersten Quartal nochmals 7,3 Prozent.
Die Kursrallye der meisten Kryptowährungen setzten sich unter Führung des Bitcoins fort. Nach Zulassung der ersten Bitcoin Spot ETFs in den USA erlebten diese im Rekordtempo Milliardenzuflüsse. Der Wechselkurs des Bitcoins stieg im Verlauf des ersten Quartals um 67 Prozent auf rund 71.200 US-Dollar. Mitte März wurde mit rund 73.800 US-Dollar ein neuer Rekordwert erreicht.
An den Rohstoffmärkten ließen die robuste Weltkonjunktur und die Ängste vor einer Eskalation des Nahost-Konfliktes den Öl- und den Goldpreis weiter steigen. Der Ölpreis kletterte um rund 14 Prozent auf 82,60 US-Dollar für ein Barrel der amerikanischen Sorte WTI und auf gut 87 US-Dollar für ein Barrel der europäischen Sorte Brent. Den halbherzigen Sanktionen der G7-Staaten gegen Russland gelang es nicht, einen entsprechenden Anstieg des Ölpreises für Russland zu verhindern. Allerdings konnte die Ukraine bei ihrem Abwehrkampf gegen den Aggressor mehrfach russische Raffinerien beschädigen, sodass Moskau Exporte von Benzin und Diesel weitgehend untersagen musste. Trotz des hohen Gewichts von Öl im Bloomberg Commodity Index stieg dieser im ersten Quartal nur um 0,9 Prozent, denn andere Rohstoffpreise veränderten sich wenig oder fielen.
Der Goldpreis beendete das Quartal mit einem Anstieg um 8,3 Prozent auf einem neuen Rekordwert von 2.234 US-Dollar. Weil der Euro anders als im Vorquartal gegen US-Dollar etwas an Wert verlor, fällt der Gewinn in Euro gerechnet mit 10,8 Prozent auf 2.070 Euro noch höher aus.
Aktienmärkte
An den Aktienmärkten hielt die gute Stimmung im ersten Quartal an. Sie stützte sich auf überwiegend gute Unternehmensergebnisse und die Hoffnung auf weiterhin gute Geschäfte. Dazu sollen Innovationen vor allem im Bereich Künstliche Intelligenz (KI) beitragen, was für Kursfantasie bei den Aktien der vermeintlichen Profiteure sorgte. So setzte die Nvidia-Aktie ihren Höhenflug fort. Der Designer von KI-Prozessoren erfreut sich einer monopolartigen Stellung als Anbieter entsprechender Mikrochips und macht hohe Gewinne. Der Aktienkurs stieg in den ersten drei Monaten dieses Jahres um mehr als 90 Prozent, obwohl er sich bereits im Vorjahr mehr als verdoppelt hatte.
Allerdings werden nicht mehr alle großen US-Technologieaktien, die als „glorreiche Sieben“ bekannt sind, vom Erfolg verwöhnt. Der Aktienkurs des E-Auto-Pioniers Tesla verlor seit Jahresbeginn rund ein Drittel seines Wertes. Gegenüber der euphorischen Bewertung Ende 2021 hat sich der Börsenwert des Tesla-Konzerns von über einer Billion US-Dollar kommend halbiert.
Die meisten US-Konzerne konnten mit ihren Geschäftszahlen und ihren Ausblicken die Investoren überzeugen. Damit stützt die Berichtssaison mit den Geschäftsergebnissen des vierten Quartals und des Gesamtjahres 2023 den Aktienmarkt, sodass die Wallstreet die schrumpfende Zinssenkungsfantasie gut verkraftete. Der populäre Dow Jones Industrial Average Index näherte sich in seinem fortgesetzten Aufwärtstrend erstmals in seiner Geschichte bis auf 110 Punkte der Marke von 40.000 Zählern. Der älteste Aktienindex der Welt beendete das Quartal mit einem Zuwachs um 5,6 Prozent bei 39.807 Punkten.
Der für den Gesamtmarkt repräsentativere S&P-500-Index überschritt im Februar erstmals 5.000 Punkte und beendete das Quartal mit einem Gewinn von 10,2 Prozent mit neuen Rekordwerten bei 5.254 Zählern. Der noch stärker von großen Technologie-Konzernen geprägte Nasdaq-100 überwand die Marke von 18.000 Punkten, markierte im März bei 18.465 Zählern einen neuen Rekordwert und beendete das Quartal mit einem Plus von 8,5 Prozent bei 18.255 Punkten.
Nebenwerte machten den Kursaufschwung nicht in der ganzen Breite des Marktes mit. Der Russell-2000, in dem die Aktienkurse von 2.000 US-Aktien ohne die 1.000 größten Unternehmen zusammengefasst werden, stieg in den ersten drei Monaten des Jahres nur um 4,8 Prozent.
Nachdem die erste Januarhälfte von einer Konsolidierung geprägt war, setzten sich die Aufwärtstrends auch an den europäischen Aktienmärkten fort. Dabei übertraf die Aufwärtsdynamik des Euro-STOXX-50 ab Ende Januar sogar diejenige der Wallstreet und der Nasdaq. Der Leitindex der Eurozone beendete das Quartal bei 5.083 Punkten mit einem Plus von 12,4 Prozent und dem höchsten Stand seit über 20 Jahren. Der paneuropäische STOXX 600 Index kletterte, ebenfalls ohne Dividendeneinrechnung, erstmals über 500 Punkte und erklomm damit neue historische Höchststände.
Auch nationale Aktienindizes wie der Deutsche Aktienindex DAX oder der französische CAC-40 erreichten neue Rekorde. Der DAX schaffte in den ersten drei Monaten des neuen Jahres einen Anstieg um 10,4 Prozent auf 18.492 Zähler, der CAC-40 um 8,8 Prozent auf 8.206 Punkte. Eine mögliche Aufholjagd europäischer Nebenwerte wollte in der Breite des Marktes noch nicht in Gang kommen. Insbesondere der MDAX für mittelgroße deutsche Aktien blieb klar hinter der Entwicklung der Standardwerte zurück. Er beendete das Quartal nahezu unverändert.
In Asien blieb die Börsenentwicklung sehr unterschiedlich. Die japanische Börse profitierte vom zunehmenden Interesse der Investoren. Sowohl viele in- als auch ausländische Investoren gelten bei japanischen Aktien als unterinvestiert. Der Nikkei-225-Index sprang in der ersten Januarhälfte über die Marke von 34.000 Zählern, die seit Mitte des Vorjahres einen Widerstand gebildet hatte, und stellte danach seinen alten Rekordwert aus dem Jahr 1989 ein. Dieser war auf dem Höhepunkt der Japan-Euphorie der 1980er Jahre erreicht worden. Ende März notierte der Nikkei-225 schließlich bei 40.369 Punkten und damit 20,6 Prozent höher als zum Jahresbeginn. Der modernere Topix Index verzeichnet mit 17,0 Prozent einen ähnlich hohen Zuwachs für das erste Quartal.
Ebenfalls zweistellige Prozentzuwächse im Fernen Osten verzeichnete außerhalb Japans der Aktienmarkt Taiwans. Der TWI Index stieg im ersten Quartal um 13,2 Prozent. Haupttreiber waren Kursgewinne der Elektronik-Werte, allen voran des Mikrochipherstellers und Indexschwergewichts Taiwan Semiconductor Manufacturing, kurz TSMC.
Der indische Aktienmarkt konnte dagegen seine Kursrallye nur noch verlangsamt fortsetzen. So verzeichnet der Sensex 30 Index der Bombay Stock Ex-change (BSE) für die ersten drei Monate des Jahres nur ein Plus von 2,0 Prozent. Nach den hohen Kursgewinnen zuvor kommt eine ausgeprägte Konsolidierung nicht überraschend, zumal auch die fundamentale Bewertung des indischen Aktienmarktes im Vergleich zu anderen Schwellenländern hoch ist. Relative Schwäche zeigten weiterhin die chinesischen Aktienmärkte. In Hongkong fiel der Hang Seng Index zeitweilig unter 15.000 Punkte und damit in die Nähe seiner Zehn-Jahres-Tiefs. Erst ab Februar zeigten sich Anzeichen einer Stabilisierung, wohl auch aufgrund von Maßnahmen der Regierung zur Stützung der Kapitalmärkte. Der Hang Seng Index kehrte immerhin in die Nähe der 17.000er Marke zurück. Er beendete das Quartal schließlich bei 16.541 Zählern mit einem Rückgang von 3,0 Prozent. Ähnlich schnitt der Shanghai A Aktienindex mit einem Verlust von 2,5 Prozent ab.
Die Aktienmärkte Lateinamerikas erlebten nach den Kursgewinnen im Vorjahr eine Konsolidierung. Der brasilianische Bovespa Index verlor bis Ende März 4,5 Prozent, der mexikanische IPC Index veränderte sich dagegen kaum (minus 0,1 Prozent).
Nachdem die Aktienkurse der großen Goldminenbetreiber 2023 vom Anstieg des Goldpreises profitiert hatten, bremsten im ersten Quartal Sorgen um hohe Kosten und Risiken die Aktienkurse. Der FT Goldmines Branchenindex verzeichnete für den Berichtszeitraum einen Rückgang um 2,2 Prozent, womit sich die Schere zwischen dem Goldpreis und den Aktienkursen der Goldminen wieder weit geöffnet hat.
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